Während die deutsche Wirtschaft stagniert, erlebt die Musikbranche in Deutschland bereits das sechste Jahr in Folge ein beeindruckendes Wachstum – mit einem Plus von 7,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Auch die Vinyl-Schallplatte feiert ihren steten Aufwärtstrend und verzeichnet einen Zuwachs von 6,4 Prozent. Das Jahrbuch 2024 des Bundesverbands Musikindustrie e.V. liefert dazu noch viele weitere spannende Einblicke und Details.

Umsatz in zehn Jahren verdreifacht - Quo vadis Vinyl?
Die nackten Zahlen im Jahrbuch 2024 des Bundesverbands Musikindustrie e.V. sprechen Bände: von 2015 bis 2024 stieg der Umsatz an Schallplatten von 50 auf 153 Millionen Euro. Kein Wunder, dass das Nischensegment Vinyl für die Musikindustrie eine sichere Bank ist. Die Frage könnte nun lauten: Quo vadis Vinyl?
Ein Blick zurück in die Vergangenheit offenbart spannende Entwicklungen, die auch im Jahrbuch 2024 des BVMI anhand einer Grafik eindrucksvoll dargestellt werden: Die Umsatzentwicklung zwischen 1984 und 2024 erzählt die Geschichte einer Branche im Wandel.
Zunächst dominierte die CD, deren Umsätze bis zu ihrem Höhepunkt im Jahr 1997 rasant anstiegen – gefolgt von einem beständigen Rückgang, der dazu führte, dass sie in Deutschland wohl bald von der Schallplatte überholt wird.
Etwa 2007 – nicht zufällig zeitgleich mit der Einführung der ersten iPhones – begann ein neues Kapitel: Streaming. Was damals als aufstrebender Markt startete, hat sich in kürzester Zeit zur marktbeherrschenden Kraft entwickelt. Anfangs boten Plattformen wie Myspace Musikern eine Bühne, heute tobt ein globaler Wettbewerb zwischen einer Vielzahl von Streaming-Diensten. Downloads, die zwischenzeitlich eine wichtige Rolle spielten, sind inzwischen ebenfalls auf dem Rückzug und verlieren zunehmend an Bedeutung.
Im Jahr 2024 erzielte die Musikindustrie in Deutschland einen Umsatz von 2,38 Milliarden Euro. Dieser Betrag umfasst Einnahmen aus CD-, Vinyl-, Download- und Streaming-Verkäufen und markiert das sechste Jahr in Folge mit Wachstum. Im Vergleich zum Vorjahr entspricht dies einem Plus von 7,8 %. Und: Deutschland liegt auf Rang 4 in den Top 10 der internationalen Musikmärkte - ein nicht zu unterschätzender Faktor.
Der digitale Bereich dominiert dabei eindeutig: Streaming hat einen beeindruckenden Anteil von 78,1 % am Gesamtumsatz. CDs liegen noch bei 8,7 %, während Vinyl-Schallplatten 6,4 % ausmachen. Doch die Trends sind klar: Der Umsatz mit CDs sinkt stetig, während Vinyl weiterhin wächst. Konkret erreichte der Umsatz mit Vinyl-Schallplatten (inklusive Singles) im Jahr 2024 stolze 153 Millionen Euro – das ist eine Verdreifachung gegenüber 2015!
Vinyl ist zudem der einzige physische Tonträger, der seinen Marktanteil kontinuierlich ausbauen konnte und seit 2015 mehr als eine Verdopplung verzeichnet.
Wichtig zu wissen: Diese Zahlen spiegeln nur den Teilbereich der Musikindustrie wider, der sich auf Musikaufnahmen und deren Verkauf bezieht. Die Musikwirtschaft als Ganzes umfasst jedoch weit mehr, darunter Live-Musikveranstaltungen, Musikinstrumente, Musikverlage, Musikunterricht, Verwertungsgesellschaften und natürlich die Kreativen selbst.
Betrachtet man alle Bereiche zusammen, erreichte die deutsche Musikwirtschaft 2023 ein beeindruckendes Gesamtvolumen von 17,4 Milliarden Euro. Das zeigt deutlich, welche wirtschaftliche Bedeutung die Musikbranche in Deutschland hat. Dennoch müssen ihre Vertreter immer wieder gegenüber der Politik für angemessene Beachtung und Unterstützung kämpfen.
Es ist klar, dass sich das Konsumverhalten zunehmend in Richtung Streaming entwickelt, während die Bereitschaft, physische Tonträger zu kaufen, weiter abnimmt. Immer mehr Menschen entscheiden sich für Abonnements und schätzen den Komfort, den diese moderne Art der Musikwiedergabe bietet.
Spannend ist jedoch auch die Entwicklung verschiedener Musikgenres in Abhängigkeit vom jeweiligen Tonträger-Format. Obwohl es keine drastischen Verschiebungen gibt, lässt sich ein klarer Trend erkennen – insbesondere im Vinyl-Bereich: Der Anteil von Rockmusik ist rückläufig, macht jedoch immer noch 49 % des Gesamtumsatzes mit Vinyl aus. Gleichzeitig gewinnen Popmusik sowie Hip-Hop/Rap zunehmend an Bedeutung. Meine persönliche Einschätzung dazu weiter unten im Kommentar.
Es ist wichtig zu betonen, dass all diese Zahlen lediglich die Entwicklung der Musikindustrie abbilden. Was dabei jedoch über Jahre hinweg kaum Beachtung fand, ist die Frage, in welchem Ausmaß auch Künstler:innen von der wirtschaftlichen Erholung des Marktes profitiert haben. Hierzu liefert der BVMI-Report nun neue Einblicke: Eine im Jahr 2024 veröffentlichte Studie mit dem Titel „Die deutsche Musikindustrie: Investitionen und Zahlungen an Künstler:innen“, durchgeführt vom Forschungsinstitut Oxford Economics im Auftrag des BVMI (Link), beleuchtet genau dieses Thema. Die Untersuchung zeigt, wie die gestiegenen Einnahmen der deutschen Musiklabels in den vergangenen Jahren sowohl in die Förderung neuer Talente als auch in die Unterstützung bestehender Künstler:innen reinvestiert und über Zahlungen weitergegeben wurden.
JIM-Studie / ARD/ZDF-Medienstudie 2024
Noch einen letzten aussagekräftigen Beitrag liefern die JIM-Studie 2024 (Jugend, Information, Medien - Link) sowie die ARD/ZDF-Medienstudie 2024 (Link) über das Hörverhalten junger Menschen - und hier möchte ich zitieren:
"93 Prozent der 12- bis 19-Jährigen gaben an, mindestens mehrmals in der Woche Musik zu hören, und 70 Prozent hörten sogar täglich Musik. Musikstreaming-Dienste wurden im Durchschnitt 116 Minuten pro Tag genutzt (2023: 115 Minuten), wobei Mädchen mit 123 Minuten durchschnittlich etwas länger Musik hörten als Jungen, die etwa 109 Minuten für Musikstreaming-Dienste nutzten (JIM-Studie 2024, S. 21. Die ARD/ZDF-Medienstudie 2024 kam zu einem ähnlichen Ergebnis. Danach haben 84 Prozent der 14- bis 29-jährigen Teilnehmenden angegeben, „täglich oder wöchentlich“ Musikstreaming-Dienste zu nutzen, weitere 7 Prozent „monatlich“ und noch einmal 2 Prozent „seltener“ (ARD/ZDF-Medienstudie 2024, S. 40). 2024 zeigte sich erneut, dass ältere Jugendliche deutlich mehr Musik hören als jüngere: Während die 12- bis 13-Jährigen täglich rund 79 Minuten mit Musikhören verbrachten, waren es bei den 18- bis 19-Jährigen 144 Minuten (JIM-Studie 2024, S. 21)."
Dazu passt noch ein Bericht im Musikmagazin NME, bei ein Report der Pete Tong DJ Academy feststellte, "dass 61 Prozent der jungen DJs denken, dass Zahlen in den sozialen Medien „wichtiger“ sind als musikalisches Können" - und: ein namentlich nicht genannter 24-jähriger DJ und Produzent aus Frankreich wird mit den Worten zitiert: „Jeder (Social-Media-) Beitrag fühlt sich wie ein Test an. Wenn es ein Flop wird, fühle ich mich wie ein Versager“.
Kommentar mit Ausblick auf die Zukunft der Vinyl Schallplatte
Der Wandel der Musikwelt wird unweigerlich auch das zukünftige Konsumverhalten beeinflussen. Die Babyboomer (ca. 1946–1964) und die Generation X (ca. 1965–1979) sind mit der Schallplatte aufgewachsen und schätzen Musiker und Bands wie die Beatles, Rolling Stones, Pink Floyd oder Queen. Für diese Generationen spielen Reissues und Best-of-Alben vergangener Ikonen eine große Rolle.
Doch irgendwann wird auch die Ära der unveröffentlichten oder verschollenen Songs dieser Legenden enden – und mit ihr vermutlich auch das Interesse an solchen Veröffentlichungen. Die entscheidende Frage bleibt, ob moderne Künstler in der Lage sein werden, die musikalische Lücke zu füllen, die von den großen Namen der 1960er- bis 2000er-Jahre hinterlassen wurde.
Die Geschichte der Musik hat uns gelehrt, dass jede Epoche ihre ganz eigene Entwicklung durchläuft. Und so wird es auch mit der heutigen Musikwelt sein. Allerdings zeigt sich immer deutlicher, dass Künstliche Intelligenz (KI) einen steigenden Einfluss auf die Musikproduktion hat. Gleichzeitig scheint ein Trend zur Beliebigkeit und Austauschbarkeit in der neuen Musik zu bestehen. Wohin dieser Weg führt, wird die Zukunft zeigen.
Die Vinyl-Schallplatte wird wohl kein unbegrenztes Wachstum erleben, doch sie dürfte zumindest einen stabilen Platz im Musikgeschehen behalten. Es liegt an der jungen Generation, ob sie künstlerisch anspruchsvolle Veröffentlichungen ohne KI-Einfluss zu schätzen weiß und unterstützt – oder ob die schnelllebigen, oft austauschbaren Produkte die Oberhand gewinnen, die so rasch in Vergessenheit geraten, wie sie gekauft wurden.
Für meinen Teil möchte ich diesem Blog eine klare Botschaft widmen: Handgemachte Musik verdient in meinen Augen den größten Stellenwert. Ich hoffe, dass viele junge Talente mit dieser authentischen Art von Musik die Aufmerksamkeit und Anerkennung finden, die sie verdienen!
Quelle alle Grafiken: Bundesverband Musikindustrie e.V. / Gfk Entertainment
Kommentare
Ja, die gibt es:
13 Millionen CDs, 4, 9 Millionen LPs
Siehe
https://www.musikindustrie.de/wie-musik-zur-karriere-werden-kann/markt-bestseller/musikindustrie-in-zahlen-2024
Der steigende Umsatzanteil von Vinyl ist auch auf die gegenüber der CD höheren Preise zurück zu führen.
Weiß man, wie sich die Stückzahlen von Vinyl und CD entwickelt haben ?
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