Am Anfang war... eine Schallplattenpresse? Nicht ganz! Wir schreiben weder die Bibel um, noch erfinden wir die Geschichte von Newbilt neu. Erwin Neubauer, der Kopf hinter diesem Unternehmen, begann seine Karriere ursprünglich in der CD-Produktion. Doch wie führte dieser Weg schließlich zu brandneuen Pressmaschinen für Vinyl-Schallplatten? Die spannende Entwicklungsgeschichte dieser jungen Firma aus Alsdorf erzählen wir in unserem Bericht.

Neue Vinyl-Pressmaschinen braucht das Land
In den 1990er Jahren wurden in Deutschland und weltweit zahlreiche Schallplatten-Presswerke geschlossen. Damals war kaum vorstellbar, dass die oft jahrzehntealten Pressmaschinen jemals wieder gebraucht würden. Doch rund 30 Jahre später zeigt sich ein ganz anderes Bild: Die Nachfrage nach Schallplatten ist enorm gestiegen, und mit ihr auch der Bedarf an Presswerken und Maschinen. Die verbliebenen alten Maschinen reichen längst nicht mehr aus, um die Produktion zu decken. Diese Entwicklung erkannten Erwin und Vivianne Neubauer sowie ihr Team frühzeitig und setzten auf die Entwicklung einer komplett neu konstruierten Schallplattenpresse.
Nach einem Umzug hat Newbilt nun seinen Standort in Alsdorf gefunden – einem Ort mit Tradition in der Schallplattenherstellung. Bereits seit 1976 betrieb Warner Music hier ein renommiertes Presswerk. Es ist also ein passender Ort, um an diese Geschichte anzuknüpfen und zukünftigen Generationen modernste Technik für die Produktion der beliebten Vinylplatten bereitzustellen. Am Samstag, den 1. April 2023, hatten wir die Gelegenheit, Newbilt zu besuchen. Kein Aprilscherz, sondern eine faszinierende Möglichkeit, spannende Einblicke aus erster Hand zu gewinnen.
Begrüßt wurden wir von Geschäftsführer Winfried Söllner, Vivianne Neubauer und ihrem Sohn Marius Neubauer. In entspannter Atmosphäre wurde schnell klar: Die Produktion von Schallplatten ist weit mehr, als lediglich ein Vinyl-Rohling in eine Presse zu legen und am Ende eine perfekt klingende Platte in den Händen zu halten. Bis es soweit ist, braucht es nicht nur ein hohes Maß an Know-how, sondern auch eine komplexe Infrastruktur rund um die Pressmaschine – eine Infrastruktur, die ebenfalls von Newbilt entwickelt und gebaut wird. Viele Neukunden sind überrascht, wenn sie feststellen, dass der Erwerb einer Plattenpresse allein nicht ausreicht, um direkt mit der Produktion von neuen LPs zu starten. Die Realität ist weitaus anspruchsvoller!
Mehr als eine Pressmaschine
Was auf den ersten Blick simpel klingt – eine Vinylmasse in einer Pressemaschine mithilfe der beiden Pressmatrizen (auch Stamper genannt) unter hohem Druck zu einer Schallplatte zu formen – ist tatsächlich nur ein kleiner Teil eines komplexen Prozesses. Die Pressemaschine allein reicht für die Produktion nämlich nicht aus, denn sie ist lediglich ein Bestandteil des gesamten notwendigen Equipments.
Mit einer Anekdote illustrierten Marius Neubauer und Winfried Söldner, wie oft die Komplexität unterschätzt wird: Ein Kunde aus der Ferne hatte stolz eine Newbilt-Anlage installiert und schickte Fotos zur Begutachtung. Im Büro von Newbilt begann daraufhin das Ratespiel „Finde den Fehler“ – und tatsächlich fand man ihn: Die Dampf-Anlage war schlichtweg vergessen worden! Tja, so etwas kann schon mal passieren.
Auch für Vinyl-Liebhaber und interessierte Laien ist es spannend zu erfahren, was alles rund um eine Hydraulik-Plattenpresse benötigt wird. Dazu gehören ein ausreichend großer Raum oder je nach Bedarf sogar eine Halle, eine leistungsstarke Stromversorgung, eine Dampfanlage, Wasserkühlung und natürlich die notwendigen Geräte. Neben der eigentlichen Pressmaschine sind das beispielsweise ein Extruder, der aus Vinylgranulat einen sogenannten "Vinylkuchen" formt, eine Druckanlage sowie ein Randabschneider. Das beschriebene Setup bezieht sich auf die halbautomatische Handpresse. Bei einem Vollautomaten kommen noch zahlreiche weitere Komponenten hinzu: eine Papier-Label-Zuführung, ein vollautomatisches Be- und Entlade-Handling, ein Ablagestapel für die fertigen LPs sowie die Integration von Alu-Kühlplatten und vieles mehr.
Der Halbautomat von Newbilt
Zu Beginn widmeten sich Erwin Neubauer und sein Team dem Refurbishing – der Überholung und Aufarbeitung – alter Schallplattenpressen. Bald jedoch verlagerten sie ihren Fokus auf die Entwicklung einer vollständig neuen Maschine. Die ersten Halbautomaten aus ihrer Produktion haben längst ihren Platz in Presswerken auf der ganzen Welt gefunden. Eines der bekanntesten Einsatzorte ist sicherlich Jack White’s Third Man Records in Detroit, USA.
Wer denkt, die Bedienung eines solchen Halbautomaten sei kompliziert, fehleranfällig oder gar eine Gefahr für die Schallplatte, wird hier eines Besseren belehrt: Diese Maschine überzeugt nicht nur durch ihre herausragende Qualität, sondern auch durch ihre beeindruckende Geschwindigkeit. Mit einer Duplexanlage – bestehend aus zwei Pressen und einem Extruder – kann ein versierter Bediener innerhalb von rund 45 Sekunden zwei Schallplatten herstellen. Und das ganz entspannt, wie Winfried Söllner mit einem Augenzwinkern anmerkt. Als Beweis für die Leistungsfähigkeit dieser Technologie lohnt sich ein Blick auf renommierte Presswerke, die hohe Ansprüche an ihre Maschinen stellen. So setzen nicht nur Third Man Pressing, sondern auch Nordsø Records in Dänemark auf Newbilt-Technik, um beispielsweise für LowSwing Records erstklassige LPs zu produzieren.
Ein großer Vorteil dieser Maschine ist ihre modulare Bauweise, die einen schnellen und unkomplizierten Wechsel zwischen verschiedenen Formaten und Spezifikationen ermöglicht: Von 7"-Singles über 10"-Platten bis hin zu 12"-LPs, egal ob 140g, 160g oder 180g, in klassischem Schwarz oder farbigem Vinyl. Das Konzept dieser Presse basiert übrigens auf den legendären Finebilt-Pressen, die bis Anfang der 1960er Jahre gefertigt wurden – ein Stück bewährter Ingenieurskunst, modern interpretiert.
Der Vollautomat Classic 12“ von Newbilt
Bei unserem Besuch in der Fertigungshalle konnten wir neben halb montierten und bereits verpackten Maschinen auch den Prototyp des neuen Vollautomaten, genannt Classic 12“, entdecken. Dabei wurde uns ausführlich erklärt, welche entscheidenden Verbesserungen im Vergleich zu herkömmlichen Pressen vorgenommen wurden. Besonders beeindruckend ist der massive Presskolben, der exakt die Größe einer 12“-LP besitzt. Im Gegensatz zu bisherigen Maschinen und auch zu Wettbewerbsmodellen wie der Phoenix Alpha wird dadurch eine Verwindung der Presswerkzeuge effektiv verhindert. Dieser Ansatz minimiert das Risiko, dass während des Pressvorgangs Spannungen im Vinylmaterial entstehen, die später zu den gefürchteten „Schüsseln“ (konkav/konvexe LP) auf dem Plattenteller führen könnten.
Ein wesentlicher Unterschied liegt in der automatischen Überwachung der Dampf- und Kühlwassertemperaturen. Sobald Abweichungen vom Sollwert auftreten, passt das System die Produktionsparameter eigenständig an. Dies erleichtert die Arbeit des Einstellers und entlastet ihn spürbar. Generell wurde großer Wert auf die flexible Einstellbarkeit aller relevanten Parameter gelegt, um den individuellen Anforderungen der Kunden gerecht zu werden.
So erfordert beispielsweise die hohe Luftfeuchtigkeit in Südamerika andere Maschinenkonfigurationen als die kühleren Bedingungen in Dänemark oder die heißen Temperaturen in Italien. Im Foto links ist erkennbar, nach wie vielen LPs eine Aluminium-Kühlplatte eingesetzt wird. Der empfohlene Wert liegt bei 5, es sind jedoch bis zu 10 LPs möglich. Interessanterweise benötigen auch unterschiedliche Vinyl-Farben angepasste Temperatureinstellungen – ein Detail, das vielen vielleicht nicht bekannt ist.
Ein besonders spannender Einblick, den wir bereits in einem frühen Stadium erhalten durften, war die Labelstanze. Dieses innovative Gerät spielt eine Schlüsselrolle im Recyclingprozess: Es ermöglicht, die Papierlabels aus Fehlpressungen, alten Produktionen oder ausgemusterten LPs sauber zu entfernen.
Das verbleibende Vinyl kann dann wiederverwertet werden. Laut Winfried gibt es in Belgien bereits ein Unternehmen, das diese Technik erfolgreich einsetzt. Der Nutzen geht jedoch weit über den ökologischen Aspekt hinaus: Durch die Wiederverwertung eines wertvollen Rohstoffs lassen sich langfristig auch Kosten senken. Denn Vinylabfälle aus Schallplattenpresswerken gelten als teurer Sondermüll und ihre Entsorgung ist entsprechend kostspielig.
Generell wird bei der Produktion großer Wert auf Ressourcenschonung gelegt. Bis zu 30 % des entstehenden Überschussmaterials (z. B. Randabschnitte) werden direkt recycelt. Das frische Vinylmaterial wird geschreddert und zurück in die Granulatmasse des Extruders geführt, um es erneut zu verwenden.
Faktoren hoher Pressqualität
Aktuell wird viel über die mangelhafte Pressqualität moderner LPs diskutiert. Das Team von Newbilt hat auf dieses Thema reagiert und mehrere potenzielle Fehlerquellen identifiziert, die sie ihren Kunden – den Presswerken – ans Herz legen möchten:
- Sorgfältige Justierung aller Parameter: Temperatur, Druck und andere Parameter müssen präzise eingestellt werden. Obwohl Grundrezepte zur Verfügung stehen, muss jedes Presswerk den optimalen Weg für die jeweilige Vinylmischung individuell herausfinden.
- Unbedingte Sauberkeit: Sämtliche Werkzeuge, wie die Flächen der oberen und unteren Presse, sowie die Pressmatrizen (Stamper) müssen absolut sauber sein. Selbst kleinste Haare oder Staubpartikel landen sonst auf der fertigen LP. Auch die Umgebung rund um die Maschine muss hygienisch rein gehalten werden – dazu gehören beispielsweise die Kühlplatten, die zwischen den frisch gepressten LPs liegen.
- Regelmäßiger Wechsel der Stamper: Stamper sollten spätestens nach 500 gepressten LPs ausgetauscht werden. Mit zunehmender Nutzungsdauer verlieren sie ihre Präzision, da die Form der Rillen abnimmt.
- Ausreichende Abkühlzeit: Die frisch gepressten LPs sollten mindestens 24, besser noch 48 Stunden in den Spindeln abkühlen. Außerdem gilt: Je weniger LPs zwischen den etwa 400 g schweren Aluminium-Kühlplatten liegen, desto planarer wird das Endergebnis.
- Gleichmäßige Pressung: Die LP-große Presse sorgt für eine stabile, gleichmäßige Pressung. Dazu gehört auch die Einhaltung der optimalen Zykluszeit. Die empfohlene Zeit von 28 Sekunden pro 180 g LP sollte nicht unterschritten werden, da ein höheres Tempo zwar effizienter ist, aber die Qualität negativ beeinflusst.
- Vinylkuchen und Kerntemperatur: Die richtige Menge (205 g für eine 180 g LP) und die optimale Kerntemperatur des Vinylkuchens sind entscheidend, wenn er in die Presse gelangt.
- Beheizter Randabschneider: Ein beheizter Randabschneider sorgt für einen saubereren und gleichmäßigeren Rand der LP.
- Hochwertiges Vinylgranulat: Die Qualität des Vinylgranulats ist essenziell. Minderwertige Mischungen können Fremdkörper enthalten – in einem Fall wurden sogar Schrauben darin gefunden.
Mit diesen Maßnahmen können Presswerke die Qualität ihrer LPs deutlich verbessern und den hohen Ansprüchen der Vinyl-Enthusiasten gerecht werden.
Bei unserem Besuch wurde schnell klar, dass die Ingenieure hinter den Newbilt-Maschinen aus dem Automobilbereich stammen. Hier vereinen sich profundes Ingenieurwissen, moderner Maschinenbau und fortschrittliche Automatisierungstechnik. Kreative Köpfe aus unterschiedlichen Fachbereichen haben zusammengearbeitet, um ein Gerät zu entwickeln, das in zahlreichen Presswerken weltweit erfolgreich Schallplatten produziert.
Ebenso wurde deutlich, dass die Maschinen nach neuesten deutschen technischen Standards sowie unter strikter Einhaltung aktueller Gesundheits- und Sicherheitsvorschriften entwickelt und gefertigt werden. Dank der ausgeklügelten Kombination aus Maschinenbau und Software ist ein Umgehen von Sicherheitsschaltern, wie es manche zur Beschleunigung der Produktion praktizieren, bei Winfried Söllner vollkommen überflüssig – und wird konsequent vermieden.
Für uns Vinyl-Liebhaber ist vor allem beruhigend zu wissen, dass die Versorgung mit neuen Pressen für die Schallplattenproduktion gesichert ist. Newbilt ist nur eines von mehreren Unternehmen weltweit, das neue Maschinen herstellt. Während unseres Besuchs wurde mir jedoch auch klar, dass die Qualität bei der LP-Fertigung nicht nur von erstklassig funktionierenden Maschinen abhängt, sondern ebenso entscheidend vom Menschen, der sie bedient und sorgfältig wartet. Gerade hier liegt oft der Ursprung für die Probleme, die viele Schallplattenkäufer heutzutage bemängeln. Dabei könnte es so einfach sein – und tatsächlich funktioniert es, wenn Mensch und Technik im Einklang arbeiten!
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