Vergleich Analog / Digital - Wahrheiten und Mythen

Vinyl-Schallplatte oder CD: Was klingt besser, analog oder digital? Seit Generationen sorgt dieses Thema für hitzige Diskussionen unter Musikliebhabern – und natürlich auch unter selbsternannten Experten. Doch wie sehen echte Profis die Sache? Ich möchte hier Tontechnikern und Tonmeistern zu Wort kommen lassen – Menschen, die täglich beruflich mit diesem Thema arbeiten. Lasst uns einige spannende Fakten über die Technik der Schallplatte und ihre Entstehung beleuchten.

Mischpult in den Bauer Studios | Vinyl-Fan Blog

Wahrheiten und Mythen zum Vergleich Analog / Digital 


Zunächst ein kurzer Hinweis: Die eingangs gestellte Frage lässt sich so pauschal eigentlich nicht beantworten. Einerseits muss man sie aus technischer Perspektive betrachten, andererseits ist es kaum sinnvoll, zwei grundlegend unterschiedliche Systeme seriös miteinander zu vergleichen. Dennoch versuchen viele Musikliebhaber, die finalen Ergebnisse der Tonträger miteinander zu vergleichen.

Dabei gibt es allerdings zahlreiche Stolpersteine, von denen die meisten gar nichts wissen – darauf möchte ich am Ende noch einmal eingehen. Zunächst überlasse ich jedoch den Fachleuten das Wort, die in diesem Bereich deutlich tieferes Wissen besitzen als wir Konsumenten. Dabei kommen erstaunliche Einblicke ans Licht, die vor allem den Entstehungsprozess einer Schallplattenaufnahme beleuchten – und zwar ganz von Anfang an!

Tonmeister Andreas Spreer / Tacet Music


Tonmeister Andreas Spreer mit Mikrofon

„Die Diskussion Analog vs. Digital begleitet mich schon seit vielen Jahren, genau genommen seit 1982. Da wurde die CD nämlich eingeführt. Es gab wohl keinen Tonmeister zu der Zeit, der nicht erleichtert gewesen wäre, dass die CD kam. Denn in fast allen technischen Belangen ist die digitale Aufzeichnung – eine vernünftige Abtastgenauigkeit vorausgesetzt – klar besser.

 

Nehmen wir den Rauschabstand: Bei der LP kann man sich glücklich schätzen 50 dB zu erreichen, bei der CD: 80 dB. Oder die Gleichlaufschwankung: Bei der LP reicht es, dass das Mittenloch ein wenig zu groß ist (aber immer noch innerhalb der Norm!), und schon ist ein deutliches Eiern vernehmbar. Bei der CD: weder mess- noch hörbar. Oder nehmen wir die Kanaltrennung: Bei der LP vielleicht 30 dB, bei der CD 80 dB. Und so weiter. Ausnahme mag der Frequenzgang sein, die CD schneidet bei 20 kHz hart ab, die LP geht „weich" raus und überträgt vielleicht noch bis 30 oder auch 40 kHz, allerdings wesentlich leiser.

 

Dass sich viele Hörer und mittlerweile auch wieder viele Tonschaffenden von Musikern bis Toningenieuren/-technikern/-meistern erneut der LP zuwenden, das hat ästhetische und prinzipielle, auch philosophische Gründe. Und davon gibt es viele gute. Digital ist z. B. sehr viel manipulierbarer. Auf einer Analogaufnahme fanden sich bis zu 100 Schnitte, meistens weniger, selten darüber. Auf der CD sind 500 Schnitte keine Seltenheit. Tonhöhenkorrektur, Geschwindigkeitsveränderung, Klangmanipulation, Nachbearbeiten einzelner Spuren, synthetische Räume oder sogar natürliche, aber künstlich draufgesetzte Räume usw. usf.

 

Außerdem ist digital austauschbar. Eine LP ist ein Unikat, dafür sorgen schon die angeblich schädlichen technischen Schwächen wie Knacken, Eiern, Rauschen. Aber was heißt eigentlich technische Schwächen bei so etwas wie Kunst? Ist das nicht vielmehr ein Vorteil, dass eben nicht alles so glatt und reproduzierbar ist und dass man für ein gutes Ergebnis richtig kämpfen muss? Oft wird der „klinische, sterile" Klang der CD gerügt. Dabei ist das nicht die Schwäche der CD, sondern die der LP. Nur, dass eben diese Unbestechlichkeit gleichzeitig auch Leblosigkeit bedeutet.

 

Digital bedeutet auch, zack – Track 17 und zack – Track 9, während LP erstmal heißt Platte in die Hand nehmen (haptisch!), Cover bewundern/vielleicht mit den Fingern darüber fahren, Platte vorsichtig rausnehmen (die Musik ist verwundbar und kostbar!), die Zeremonie des Auflegens, sich Zeitnehmens und Zuhören. Dagegen digital: nebenher, im Auto, emotions- und lieblos.

 

Trotzdem tue ich mich schwer zu sagen, das eine ist besser als das andere. Ich bin wie viele andere auch in beiden Welten zu Hause. Digital kann berauschend sein und süchtig machen (wenn es gut gemacht ist), analog auch, nur eben ganz anders. Was mein Label TACET betrifft, so fahren wir zweigleisig: Voller Inbrunst und Hingabe passend für die Hörer der LP produzieren. Und genauso fasziniert und begeistert, auf ganz andere Weise passend für digitale Tonträger arbeiten."

Tonmeister Doninique Klatte / Jazz On Vinyl


Tonmeister Doninique Klatte  an der Bandmaschine

„Jeder Arbeitsschritt im Produktionsprozess einer CD/LP ist wichtig !

Der Konsument ist König und deshalb hat sich auch einiges in der Musik Produktion getan.
Meiner Meinung nach aber nicht nur zu Gunsten einer besseren Audioqualität.

 

Beginnen wir mit der Aufnahme:

Heutzutage ist eine Produktion in jeder Hinsicht kostenoptimiert. Das spiegelt sich in einer straffen und stringenten Produktionsweise wieder, die nicht per sè schlecht wäre, aber doch auf Kosten der Audio Qualität gehen kann.

Das Verfahren der Overdub- (auch Mehrspur-) Technik gibt uns die Möglichkeit, sehr komplexe Strukturen der Musik umzusetzen und künstliche Klangwelten zu erschaffen. Hier spielt es auch erst einmal keine Rolle, ob das Analog oder Digital passiert. Ich erlebe immer wieder, das Musiker nicht gut vorbereitet sind und dieser Zustand zu einer Verzögerung und Erhöhung der Produktionskosten führt. Der Druck, der auf allen lastet, veranlasst den Tonmeister dann oft, große Kompromisse im Workflow zu akzeptieren, die sich in der Produktionskette später als nachteilig herausstellen.

 

Alles was am Anfang der Aufnahme nicht hundertprozentig gespeichert wurde, lässt sich oft nur mit großem Aufwand reparieren. Wenn der Musiker „funktioniert", steht an erster Stelle der Raum, der zum Klangkörper passen muss und das Mikrofon, der Moment, an dem Schallwellen in Strom verwandelt werden. Die meisten Studios/Aufnahmeräume haben eine (im besten Fall) nicht zu trockene neutrale Akustik. Das ist auf alle Fälle schon mal eine gute Voraussetzung, um dem Signal einen sauberen, künstlichen Hall Raum geben zu können.

 

Wenn der Tonmeister dann auch noch das optimale Mikrofon zur Hand hat, ist schon viel wichtiges passiert. Gerade die Auswahl der Mikrofone entscheidet maßgeblich über die Qualität des Signals. Ich finde, dass es heute kaum noch richtig schlechte Mikrofone gibt, selbst mit einem billigen Fernost-Nachbau lassen sich interessante, brauchbare Signale einfangen. Wenn man weiß, wie sich der Sound in der Mischung verhalten wird.


Als nächster Punkt geht das Signal über den Mikrofon Preamp (oder Line In z.B. ein Keyboard) in den Mischer. Hier kommt die Frage auf, bearbeite ich das Signal schon bei der Aufnahme, oder spare ich mir diesen Arbeitsschritt für später auf. Diese Entscheidung/Planung ist auch wieder sehr wichtig, da viele Audio Spuren bei einer Produktion anfallen können, die im Nachhinein bearbeitet werden müssen. In der Analog Technik waren dazu früher nur die großen Tonstudios in der Lage, da sie über die vielen nötigen Gerätschaften (Outboard) verfügten wie z.B. mehrere Kompressoren, Limiter oder Hallgeräte.

 

Heute im Digitalzeitalter ist das alles kein Problem mehr, was auch dazu geführt hat, das die „Dinosaurier Studios" ums Überleben kämpfen. „In The Box" haben wir (meist nur durch Rechenleistung begrenzt) die Möglichkeit, jeden Kanal mit mehreren Plug In´s auszustatten, um so dem Signal die nötige Bearbeitung zukommen zu lassen.

Hier sind wir auch wieder mal an einem Punkt, an dem alles daneben gehen kann.

 

Der Ansatz, das Signal so unbearbeitet wie möglich aufzunehmen, ist für mich sehr wichtig und richtig. Aber dann den Überblick in der DAW (Digital Audio Workstation, Anm.d.Red.) zu behalten, ist eine Kunst für sich und erschwert den Blick aufs Ganze enorm. Hier ist besondere Ordnung gefragt und sauberes verständliches Abspeichern, sowie die absolute Reproduzierbarkeit, eine Herausforderung für den Tonschaffenden. Wenn an dieser Stelle die Mischung gut abgeschlossen ist, kommt die Frage nach dem Mastering.

 

Für viele ein Böhmisches Dorf. Nicht so in den USA, da gehörte das Mastering schon von Anfang an zum Produktionsablauf und wurde mit einkalkuliert. Wenn man Wochen, Monate mit einem Projekt beschäftigt ist, schleicht sich auch gerne eine gewisse Betriebsblindheit ein, die evtl. Fehler in der Produktion verdecken kann.

 

Im Mastering Prozess gibt es zwei besondere Richtungen. Die Eine ist das Master zu reparieren, weil bei der Produktion etwas schief gelaufen ist und wieder zurechtgerückt werden muss. Die Zweite ist ein gelungenes Master klanglich abzurunden und für die gewünschten Spezifikationen vorzubereiten wie z.B. MFIT von Apple oder MP3. Diese datenreduzierten, verlustbehafteten Audio Formate benötigen auch ein sehr gut klingendes Grundmaterial. Ganz zu schweigen davon, wenn der Kunde ein lautes Signal wünscht, um sich gegen andere Musiktitel z.B. im Radio durchzusetzen. Die Entwicklung des Loudness War hat schon in den 70ern seinen Anfang genommen - zum Glück liegt heute der Focus immer mehr auf guter Klangqualität.


Ich bekomme von meinen Kunden beim Mastering öfters die Vorgabe, nicht das letzte dB für den RMS Pegel (Durchschnittslautstärke) herauszuholen. In der U-Musik durchaus eine begrüßenswerte Entwicklung. Aber selbst in der E-Musik ist eine gewisse Lautheit nötig und gewünscht. Denken wir mal an eine Vinyl-Produktion, in der das Verhältnis Rauschen der Platte und Lautheit der Musik, gepaart mit einer schönen natürlichen Dynamik, eine wichtige Rolle spielt.

Beim Mastering ist auch der Kontakt und Austausch zum Kunden sehr wichtig, deshalb bin ich auch kein Fan von Online Mastering. Hier gibt es leider sehr viele Firmen, welche die klangliche Erleuchtung billig und schnell versprechen und uns erfahrenen Mastering-Tonmeistern das Leben schwer machen.


Mastering ist ein sehr feiner Eingriff in das Audiomaterial, der trotzdem durchaus den Charakter eines Stückes verändern kann, was natürlich nur passieren darf, wenn es vom Kunden gewünscht wird. Mit besonders (im Mastering) hochwertigen Geräten, die auch so klangneutral wie möglich sein sollten, um dem Signal keine ungewollten Artefakte beizumischen. Diese besonderen Anforderungen und ihre konsequenten Umsetzung sind sehr kostspielig und setzen erfahrenes Personal voraus.

 

Zum Einsatz kommen meistens EQ, Kompressor und Limiter sowie Geräte, die mit psychoakustischen Mitteln arbeiten, wie z.B. mit Obertönen und Harmonischen. Auch versucht man eine gewisse analoge Wärme durch Röhren und Überspielungen auf Bandmaschinen zu erreichen. Wie aber bei allen Arbeitsschritten, ist natürlich das Ausgangsmaterial entscheidend. Hätte man die perfekte Mischung vor sich, erübrigt sich auch der Weg ins Mastering Studio. Zum Glück ist dem nicht so.

 

Abschließend zu diesem, im Detail sehr komplexen Thema, darf man natürlich auch das Premastering nicht vergessen. Das Setzen von In-Out Fades und Pausen muss nicht nur technisch perfekt ausgeführt werden. Dieser Arbeitsschritt steht auch im Kontext zur Musik und ist maßgeblich für das Hörerlebnis zuständig."

Tontechniker Guy Sternberg / LowSwing Studio


Tontechniker Guy Sternberg / LowSwing Studio

Frequenzspektrum CD vs. Schallplatte

"Das Frequenzspektrum der CD ist 20Hz-22kHz auf digitalen Geräten, die hohe Frequenz wird durch die Abtastrate bestimmt (x1/2 der Abtastrate, CD Abtastrate ist 44.1kHz).
Der Vinyl-Frequenzgang ist sehr variabel und wird durch viele Faktoren bestimmt. Theoretisch kann er unter 20Hz und bis zu 50kHz gehen, aber je nach Ausgangsmaterial ist er normalerweise auf ca. 20Hz-20kHz +/-3dB begrenzt. Zu Beachten wäre, dass Bass auf Vinyl zu Mono unter ca. 100Hz summiert werden muss, damit es weniger "wahr" zur Quelle ist."

 

Dynamik-Umfang CD vs. Schallplatte

"Digitales Audio wie CD hat 6db Dynamik für jedes Bit, also eine normale 16bit CD als Dynamikumfang von 96db, die dies sagt, eine typische kommerzielle Musik-CD heutzutage als sehr niedriger Dynamikumfang aufgrund von Überkompression und "Loudness War", auf Vinyl wegen des Nutz-zu-Signal-Verhältnisses, dessen variable Dynamikumfang irgendwo bei 60-80db liegt."

 

Was ist wichtiger für das Endprodukt: Aufnahme oder Mastering oder...?

"Ich denke, dass die Aufnahme absolut bedeutend ist, wichtiger als das Mastering - auf einem guten Album muss ein verantwortungsbewusster Mastering-Engineer so gut wie nichts tun.
Man kann ein Album leicht verzerren, wenn es schlecht gemastert wurde, aber man kann es nicht durch Mastering verblüffend klingen lassen, wenn es schlecht aufgenommen wurde..."

 

Welche Vorteile bietet - technisch gesehen - die digitale und die analoge Aufnahme?

"Allein auf der technischen Seite scheint es, dass das digitale Format weitaus besser ist: kein Rauschen, sehr hoher Dynamikumfang (besonders bei 24bit-Aufnahmen) und großer nutzbarer Frequenzbereich (bei hohen Abtastraten wie 96khz). Aber tatsächlich (zumindest in meiner Welt) haben analoge Formate, insbesondere die Kombination von Tonband und Vinyl, einen musikalischeren, lebendigeren Sound."


Herausforderungen beim Vergleich von CD und Vinyl


Auch wenn dieses Thema ganze Bücher füllen könnte und hier nicht in allen Details beleuchtet werden kann, bieten die obenstehenden Beiträge äußerst spannende Perspektiven. Daher möchte ich Andreas Spreer, Dominique Klatte und Guy Sternberg herzlich danken, dass sie sich die Zeit genommen haben, ihre Einsichten mit uns zu teilen.

 

Im Folgenden möchte ich noch einmal kurz auf die Stolpersteine beim Vergleich von CD und LP eingehen, die ich bereits zuvor erwähnt habe. Es gibt sicherlich noch viele weitere, aber aus meiner Sicht stechen die folgenden besonders hervor:

 

1. Ein identisches Mastering für LP und CD ist systembedingt nicht möglich. Schon allein deswegen wird es schwierig, die spezifischen Vorzüge jedes Mediums eindeutig herauszuarbeiten.

 

2. Wie lässt sich beurteilen, ob die klangliche Qualität eines CD-Players und eines Plattenspielers auf exakt gleichem Niveau liegt? Am Preis? Wohl kaum.

 

3. Selbst bei zwei identischen Plattenspieler-Konfigurationen (dasselbe Laufwerk, derselbe Tonarm, derselbe Tonabnehmer, alle Komponenten neuwertig und insbesondere die Abtastnadel unbenutzt) ist es enorm schwierig und erfordert großes Fachwissen, eine absolut identische Justierung des Tonabnehmers zu erreichen. Ohne diese Basis wird ein sauberer Vergleich mit einer CD nahezu unmöglich.

 

4. Sind die Lautstärken der beiden Geräte exakt abgeglichen, zum Beispiel mithilfe eines Schallpegelmessgeräts?

 

5. Welche Verbindungskabel werden zwischen Verstärker und Abspielgerät verwendet? Wie viele HiFi-Enthusiasten wissen, können hier erhebliche Unterschiede auftreten. Aber wie soll man unter diesen Bedingungen Rückschlüsse auf die Klangqualität der verwendeten Medien ziehen?

 

Natürlich sind all diese Punkte Teil einer seit Jahrzehnten kontrovers geführten Diskussion. Die oben genannten Gedanken sollen vor allem Denkanstöße und fachliche Perspektiven bieten. Sie richten sich an Musikliebhaber, die sich ein differenzierteres Verständnis dieses Themas aneignen möchten. Doch eines ist sicher: Es gibt keine allgemeingültige Wahrheit darüber, welches Medium besser ist – CD oder LP. Die Antwort darauf fällt für jeden individuell aus, oft basierend auf einer emotionalen Entscheidung. Der wahre Genuss, sei es mit einer Schallplatte oder einer CD, ist vom System unabhängig. Viele Musikfreunde bleiben ohnehin pragmatisch: Sie nutzen je nach Lust und Laune beide Formate – und genießen das Beste aus beiden Welten.


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